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Ich werde versuchen, etwas über das Mankind Project und das Initiationsritual (NWTA) für Männer zu schreiben,
das dort angeboten wird. Das Training, wie ich es für die Dauer dieses Artikels zu nennen beschlossen habe. Dazu solltet Ihr wissen, dass alles, was ich weiter unten schreibe, jetzt fünf Jahre her ist. Damals war Männerarbeit nicht nur etwas sehr Neues für mich, sondern auch etwas, dass ich kurz zuvor noch mit großer Skepsis gesehen hatte.
Beim Neulesen dieser Zeilen sehe ich, wie viel von dieser Skepsis in dem Text noch mitschwingt, aber auch, wie begeistert ich damals war. Wie neu ich die ganze Idee von Männerarbeit damals empfand. Ich erinnere mich, wie abschreckend und dubios ich schon die Bezeichnung NWTA empfunden hatte. Das New Warrior Training Aventure und wenn ihr so tickt wie ich zu dem Zeitpunkt, dann würdet ihr an so einem seltsamen Treffen nicht teilnehmen, allein schon wegen des Namens.
Das Neue Krieger Übungsabenteuer. Das Übungsabenteuer für neue Krieger. Oder meinen die Neues Übungsabenteuer für Krieger? Ich habe mich nie als Krieger gesehen. Auch nicht als spiritueller Krieger. Das damit verbunden Selbstverständnis stieß mich gehörig ab. Wie man sich vielleicht denken kann, sind die Wege, auf denen ich zum Mankind Project kam, eher verschlungen. Es ging mir damals um eine ganz bestimmte Frau.
Eine Frau, die sich zur Angewohnheit gemacht hatte, ihren Männerbekanntschaften vom MKP zu erzählen, also auch mir. Nein, es war bei weitem nicht so einfach, aber für den Moment ist das eine hinreichende Erklärung.
Ich glaube, ich habe das Training hauptsächlich gemacht,
weil viele Ideen, die ich über das NWTA und das ganze sogenannte ManKind Project hatte, schon an der Realität zerbröselt sind, lange bevor das Training anfing. Ich hatte mich vorher informiert, hatte etliche Leute getroffen, die das Training schon hinter sich hatten. Das war einfach, weil Männer, die das Training gemacht haben und auch Männer, die das Training noch nicht gemacht haben, sich in sogenannten Integrationsgruppen treffen, die regelmäßig stattfinden, in meiner Heimatstadt Lübeck zum Beispiel zweimal im Monat.
Jeder Mann ist eingeladen. Jede Frau nicht unbedingt. Das ist ja der wesentliche Punkt. Das NWTA ist nur für Männer. Ich erinnere mich noch gut daran, wie seltsam ich das damals fand. Ein Lebenshilfeangebot, das sich tatsächlich ausschließlich an Männer richtet. Okay, es gibt etwas Vergleichbares auch für Frauen. Es nennt sich „Woman within“ und ist genauso leicht im Internet zu finden wie das MKP. Ich erinnere mich jedenfalls, dass ich bald nach den Gesprächen mit P., aus dem Internet mir eine Telefonnummer besorgte.
Die Nummer eines Ansprechpartners für die Lübecker Integrationsgruppe und dann zwei Tage herumtrödelte und grade dabei war, das Ganze zu verdrängen, als ich mit P. ein wenig chattete und das Thema wieder auf MKP kam. Ich war ein bisschen genervt. Während ich mit P. weiter über Facebook tipperte, machte ich einen Anruf, natürlich nahm keiner ab. Typisch Mann! Ich sabbelte ein paar unmotivierte Sätze auf die Box und legte auf und war mir irgendwie sicher, dass ich lange Zeit nichts von den Leuten hören würde.
Ich bekam innerhalb von 10 Minuten einen Rückruf und erfuhr, dass das nächste Treffen am darauffolgenden Abend um 18:30 sein würde. Ich versprach zu kommen. Rückblickend ist es erstaunlich, dass ich hingegangen bin. Okay, vielleicht auch nicht. Ich habe mir vor ein paar Jahren angewöhnt, genau in die Richtung zu gehen, in der ich die stärksten Widerstände spüre, einfach weil in dieser Richtung meistens der größte persönliche Gewinn wartet. Indirekt hatte ich P. auch so kennen gelernt.
Zu meinem Erstaunen stellte sich heraus, dass dieses Treffen nur ein paar Minuten mit dem Fahrrad entfernt stattfand. Ich war da und lernte an diesem Abend 5 sehr entspannte und sympathische Männer kennen. Und ich lernte eine ganze Menge über mich selbst. Ich fand heraus, dass ich mich seit langer Zeit danach sehnte, mit anderen Männern zu reden. Klartext zu reden, ohne sich hinter Worthülsen und angelernten Rollenbildern zu verstecken.
Ich merkte, gleich an diesem ersten Abend, dass ich das hier konnte. Dass ich diesen Männern glaubte. Das lag zu einem gewissen Teil auch an der etwas bizarren Gestaltung des Abends. Eine iGroup ist kein lockerer Gesprächsabend, sondern folgt einem ganz bestimmten, starren Ritual. Das kann sich beim ersten Mal ziemlich fremd anfühlen.
Trotzdem hat man (oder vielmehr: hatte ich) zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, Teil irgendeiner Sekte zu sein. Stattdessen zwingen diese Formalismen dazu, sich tatsächlich auf die Männer dort zu konzentrieren, auf das, was sie SIND, weniger auf die ROLLE, die sie spielen. Es ist egal, ob du Diplomingenieur bist, oder Imbissbudenbesitzer, während einer Integrationsgruppe hast Du eigentlich gar keine Möglichkeit Dich deswegen besser oder schlechter zu fühlen, als irgendjemand anders im Raum. Als ich gegen halb zehn dort rausging, fühlte ich mich anders. Ehrlicher und klarer.
Schwer zu sagen was dort passiert ist. Ich hatte ein paar Wahrheiten gesprochen. Das ist eine feststehende Formulierung, die in der MKP – Welt gebräuchlich ist und damit ist gemeint … Na ja., man sagt etwas, an das man wirklich glaubt. Etwas von dem man fühlt, dass es wahr ist. Komisch, nicht wahr? Muss man dafür in eine Männergruppe gehen?
Wenn Du, die du das liest, eine Frau bist, dann kann dir das idiotisch vorkommen. Sogar lächerlich. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber wenn Du ein Mann bist, dann wirst Du mit Chance sogar laut sagen wollen, dass das idiotisch und lächerlich ist. Vielleicht bist Du jetzt genervt über diesen Unsinn, weshalb hast Du diesen Bockmist überhaupt bis hierhin gelesen? Insgeheim weißt Du vielleicht genau, wovon die Rede ist, oder? Oder wann hast Du zuletzt mit einem Mann gesprochen und dabei das Gefühl gehabt wirklich bei Dir zu sein? Bei dem, was Du im innersten glaubst? Und nicht bei dem was Du mich glauben machen willst? Oder Dich selbst? Unter Umständen sagst Du jetzt, „das war gestern Abend“. Dann, herzlichen Glückwunsch. Du hast Glück gehabt, mit Deiner persönlichen Entwicklung oder Du bist schon in irgendeiner Männergruppe. Oder Du bist einfach nicht ganz ehrlich zu mir oder zu Dir selbst. Das kann ich ja nicht nachprüfen. Für mich, jedenfalls, war das ein neues Gefühl. Etwas, das ich so noch nicht kannte. Ich war das erste Mal in meinem Leben in einer iGroup gewesen. Aber nicht zum letzten Mal.
Obwohl die Gruppen „Integration Groups“ heißen,
weil sie NACH dem Training den Männern helfen sollen, ihre Erfahrungen von dort in den Alltag zu integrieren, sind die meisten iGroups offen. Auch für Männer, die das Training noch gar nicht absolviert haben, zum Kennenlernen. Ich habe von einem der Männer jetzt gehört, dass er drei Jahre lang zur Gruppe gegangen ist, bevor er sich entschlossen hat, das Training zu machen. Was mich betrifft, bin ich, seit ich das erste Mal dort war, regelmäßig hingegangen.
Wenn ich es zeitlich hinbekam, zweimal im Monat. Jedes Mal, wenn ich von einem solchen Abend nach Hause kam, war mir leichter ums Herz, so als ob ich eine Last, die ich jahrelang mit mir herumgeschleppt hatte, endlich loslassen konnte. Kein Wunder, ich begnügte mich nicht damit, mit den anderen Männern im Kreis zu sitzen und aufmerksam zuzuhören. Obwohl ich es mir nicht bewusst vornahm, brach jedes Mal etwas aus mir heraus. Dazu muss man wissen, dass jeder Mann auf den iGroups eingeladen wird, sich selbst und alle Gefühle und Ängste, die er mitbringt, offen zu zeigen. Eine Einladung, die ich dankbar annahm und so kam es, dass ich oft an bestimmten Themen „Arbeitete“.
Das, was ich dort tat, nennt sich „Schattenarbeit“ oder „Teppicharbeit“, zwei von diesen schillernden MKP Begriffen. Sie stehen für einen ganz eigenen Stil innerer Arbeit, ein ziemlich kreativer Mix aus Psychodrama, Aufstellungsarbeit, Gestalttherapie, Focusing und Arbeit mit jungschen Archetypen. Alles Dinge, die mir nicht total fremd sind, ich hatte schon Erfahrung mit Gestalttherapie und den damit verbundenen Prozessen, aber das lag Jahre zurück. Außerdem: Durch das viele Testosteron in der Luft, war die Arbeit unglaublich dynamisch, konfrontativ und schnell!
Die Sache machte einfach unglaublichen Spaß! Egal, ob ich selbst ein Thema einbrachte, oder jemand anderem assistierte, Ich nahm immer etwas mit und fühlte mich etwas mehr als Teil der Gruppe und ja, auch etwas mehr als Mann. Nicht als die Abziehbildversion, mit der ich aufgewachsen bin, durch Werbung und Sozialisation, sondern mit einem bestimmten Selbstverständnis, eigentlich einem Körpergefühl, das mir neu war und mich innerlich bereicherte.
Kurz gesagt, mit dem Status quo ging es mir super! Nach zwei besonders dramatischen Arbeiten wurde ich mal darauf angesprochen, ob ich nicht mal das Training machen will, ich würde mit Sicherheit davon profitieren. Aber wozu? Ich profitierte bereits mehr als ich mir das vor Monaten noch hätte vorstellen können, was soll so ein Training da noch besser machen? Von mir aus hätte das einfach so weiter gehen können. Wenn nicht … Wenn ich nicht an eine Grenze gestoßen wäre.
An eine Grenze in mir selbst, eine Grenze, die sich quer durch meine Sexualität zog. Ich lebte in einer festen Beziehung mit einer Frau, mit der ich mich sehr gut verstehe, die ich aber sexuell nicht mehr begehrte. Und ich war verliebt, höllisch verliebt in eine Frau die 80 Kilometer von mir entfernt lebt und deren sehnsuchtsvolle Nähe ich ausschließlich mit der geschätzten Hilfe von Mark Zuckerberg, dem Erfinder von Facebook, erfahren konnte.
Das war eine ständige Quelle eines nagenden, schlechten Gewissens, aber eigentlich war es noch viel schlimmer: Ich hätte P., im Grunde genommen am liebsten geheiratet. Zu diesem Zeitpunkt war sie einfach die Frau, von der ich immer geträumt hatte. Sie war blitzgescheit, wunderschön und war zu ozeantiefen Gefühlen fähig. Zugleich gab es aber sowas wie einen unausgesprochenen Vertrag zwischen uns: Es wird niemals ernst zwischen uns!
P. lebte selbst in einer festen Beziehung und hatte obendrein noch Kinder, die ihrer Fürsorge bedurften. Und sie wollte nicht mehr als eine lockere „Freundschaft plus“, wie sie es nannte. Ich war auf doppelte Art und Weise unehrlich, meiner Freundin gegenüber, aber auch P., weil ich viel mehr für sie empfand, als ich zugeben durfte. Nachdem ich etwas ziemlich Intensives in meiner iGroup erlebt hatte, ging ich von dort und spürte, zum ersten Mal, dass ich nicht erleichtert und gestärkt nach Hause ging, sondern todtraurig.
Ich hatte das Gefühl, nein ich hatte nicht das Gefühl, ich realisierte, das mein Leben, meine ganze persönliche Energie in einer ausweglosen Sackgasse feststeckte und das eigentlich alles, was ich tat, sinnlos war, solange ich mich aus dieser Sackgasse nicht befreite. Auf dem Weg nach Hause liefen mir zwei einsame Tränen aus dem Gesicht. Zu Hause ging ich schnell ins Bett, machte das Licht aus, A. sass noch in ihrem Zimmer und sah Fern. Nach ein paar Minuten bekam ich einen Weinkrampf.
Ich wusste, dass es so nicht weiterging. Das ich etwas ändern musste. Aber ich änderte nichts. Ich hörte auf P. zu schreiben und tat Garnichts. Eine Woche verging. P. schrieb mir und fragte „Willst Du mir nicht sagen was los ist?“. Dann antwortete ich ihr mit einem langen Brief. Einen Brief, in dem ich sagte, wie es mir ging und dass ich so nicht weiter machen kann.
Das ich Abstand brauche. P. schreib mir noch eine lange Antwort. Dann hatten wir keinen Kontakt mehr. Ich fühlte mich, als hätte ich mich selbst mit einem rostigem Schlachtermesser lobotomiert. Ich schleppte mich zur Arbeit, machte meine Aufgaben, aber ich hatte das Gefühl innerlich tot zu sein.
Wahrscheinlich hat das jeder von Euch schon mal erlebt, aber dann wisst ihr ja auch, dass es fester Bestandteil dieses Gefühls ist, zu glauben, man sei jetzt grade der einzige auf der ganzen weiten Welt, dem es so mies geht und der einzige, für den das jetzt so schlimm ist und so weiter. Zwei Tage nach der letzten Nachricht von P., meldete ich mich zum Training an.
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PS: Diese paar Seiten haben für sich selbst eine gewisse Geschichte,
ich habe sie zunächst nachts als zwei Beiträge in einen Tumblr Blog gehackt, dann hatte ich plötzlich das Gefühl, dass ich etwas viel zu intimes in Welt hinausposaune, also verschob ich es in einen privaten, unsichtbaren Blog.
Dann habe ich die beiden Artikel für Tom Süssmann vom Männerportal unter einem Passwort freigegeben, sie dann komplett vergessen … Jetzt habe ich einen einzigen zusammenhängenden Artikel daraus gemacht. Dabei habe ich den ersten Teil etwas gekürzt und in den Zweiten eingeschoben. Der Hauptgrund dafür war, dass der erste Teil in einer Art hochassoziativen, automatischem Schreibverfahren entstanden ist, das war damals einfach so meine Art.
Der zweite Teil war von Anfang an mehr auf den Punkt und geradliniger. Das Nacheditieren beider Texte war für mich eine Reise in die Vergangenheit. Witzigerweise habe ich vor zwei Monaten, nach einer langen, langen Pause wieder angefangen, regelmäßig in die iGroups zu gehen.
Kurz darauf hat sich Tom Süssmann vom MännerPortal.Net unverhofft bei mir gemeldet und hat und mich auf die beiden Texte angesprochen hat. Es gibt einfach keine Zufälle. In den letzten Jahren hat sich das Neue an der Männerarbeit sicher abgeschliffen (wäre auch zu schön gewesen, wenn nicht), aber hinter ganz vielen Standpunkten, aus dem Text von damals, stehe ich immer noch voll und ganz.
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