Stimmen in meinem Kopf

Volker Hepp über die Stimmen in seinem, vielleicht auch in deinem Kopf. :-)

Foto: Pixabay | strikers

Die Stimmen in unseren Köpfen sind nichts Neues, beschäftigen mich aber seit geraumer immer mehr und intensiver. Vielleicht auch vor dem forschenden Hintergrund, was uns so antreibt, wenn wir die 24 Stunden des Tages bewältigen wollen und uns manchmal auch in Dinge treiben, von denen wir im Nachhinein sagen „Das hätte ich besser gelassen“. Oder sie gar nicht mehr wahrnehmen, weil wir so gefangen sind, im Hamsterrad unseres täglichen Lebens.

Ich selbst bin seit 2004 unter anderem in der Beratung/Coaching von Männern und mit Seminaren für Männer unterwegs. Am Anfang stand meine eigene Suche und dann entdeckte ich auch Parallelen meiner Fragen an mich bei anderen Männern. Im direkten Kontakt, aber auch in der Männergruppe, in der ich damals Mitglied war. Und wenn ich mir die „Szene“ so anschaue, dann scheint es wirklich Gesetzmäßigkeiten und Ähnlichkeiten bei Männern zu geben.

Ein beruhigendes Gefühl. Denn – es zeigt, dass wir mit dem, was wir sind und was in uns ist, nicht alleine sind. Sondern, dass es anderen auch so geht: Im Beruf und im Privatleben. Wir sind nicht alleine. Dieses Gefühl wird oft unterschätzt, wie ich in meinen Seminaren immer wieder entdecke. Die Gruppe kann schützen, stärken und kann ein guter Spiegel sein für mich -–weil ich von fremden Gruppenmitgliedern Feedback zu mir bekomme, das ich normalerweise im eigenen Erleben so nicht bekomme. Also – ein klares Ja zur Gruppe.

Gerade aus der männlichen Mythologie heraus werden immer die vier Archetypen

  • Magier
  • König
  • Narr
  • Liebender

betont und in die Arbeit mit eingebunden. Ein schönes Bild, dass wir all diese seelischen Qualitäten in uns haben. Doch reichen vier Qualitäten wirklich aus, um uns Männer als Gesamtpersönlichkeit abzubilden? Oder gibt es da noch mehr davon – unsere Inneren Stimmen, die uns antreiben und besänftigen? Ein Versuch der Ordnung. Vielleicht müssen wir auch zwischen den transgenerationalen Archetypen und den Stimmen unterscheiden, die eher durch unsere Erziehung / Prägung in uns entstanden sind?

Die archetypischen Qualitäten
Wir haben alle der vier o.g. Qualitäten in uns. Per Geburt, weil Kinder, wenn sie auf die Welt kommen, einfach liebenswert und perfekt unperfekt sind. Wir können lieben und geliebt werden. Wir sind majestätisch in unseren Handlungen, wir können zaubern und die Welt und uns verändern. Und wir können so herrlich herum blödeln und Unsinn fabrizieren.

Das können wir alles automatisch, weil es in uns steckt. Wir müssen uns dazu nicht anstrengen, die vier Qualitäten sind so etwas wie „Gott gegeben“. Und so macht der Ausdruck „archetypischen Qualitäten“ auch Sinn. Die Frage ist nur, wie viel davon wir ab einem gewissen Lebensalter auch wirklich ausleben können und dürfen. Wie viel davon unsere Eltern und Umwelt sprichwörtlich aushalten von unserer Lebendigkeit und Liebe.

Und wie viele dieser archetypischen Qualitäten wir irgendwann „verstecken“ müssen, weil wir bemerken, dass unsere Umwelt nicht damit zu Recht kommt oder sie nicht gut findet. Dieser schleichende und meist unbewusste Prozess nennt sich dann landläufig Erziehung.

Die biographischen Qualitäten
Die biographischen Qualitäten sind die Stimmen in unserem Kopf, die wir irgendwann in unserer männlichen Entwicklung in uns hereingeholt haben, weil wir keine Lust mehr hatten, uns da draußen immer wieder eine blutige Nase zu holen. Bei Männern stelle ich verstärkt folgende Stimmen fest:

  •  Der Kritiker (nie zufrieden sein)
  • Der Antreiber (höher, schneller, weiter)
  • Der sich Distanzierende (sich bloß nicht emotional berühren lassen, schnell weg)
  • Der Kämpfer (nie aufgeben, eng verwandt und verschwägert mit dem Antreiber)

Doch das sind noch nicht alle. Sondern eher die lauten Stimmen, die in der ersten Reihe stehen und reflexhaft auf jede passende und unpassende Situation ihre Meinung abgeben. Vergleichbar mit einem Orchester, in dem die Pauken & Trompeten alles andere übertönen. Daneben gibt es, wie in jedem guten Orchester, noch die Abteilung Streichinstrumente. Das könnten in unserem Fall sein

  • Der Sehnsüchtige (nach Nähe, nach Kontakt)
  • Der Ängstliche (Angst, von anderen vereinnahmt zu werden und dann ausgeliefert zu sein)
  • Der Liebevolle
  • usw.

Zusammen mit den archaischen Qualitäten kommen da schon einige zusammen, die unbewusst und automatisch in vielen Situationen unser Leben steuern. An sich weder gut noch schlecht. Sondern, so ist es eben. Bei mir, bei allen anderen Menschen.

In genau zwei Punkten für mich aber bedenklich:

  1. Unbewusst
  2. Automatisch

Genau in diesen beiden Punkten geben wir unsere bewusste Selbststeuerung auf und überlassen das Steuerrad unseres Lebens anderen Kräften. Vielleicht ein Bild dazu: Wenn der Kämpfer und Antreiber zum Beispiel in den ersten sechs Lebensjahren entstanden sind, dann hatte diese Ausprägung durch aus ihren Sinn. Das sind ja auch unwahrscheinlich gute Ressourcen, die einem immer wieder weiter helfen. Wenn diese Qualitäten aber ungebremst und unbewusst immer wieder 90 Prozent des Verhaltens eines 50jährigen Manns steuern, dann macht das weniger Sinn. Weil der – eigentlich – mit seinen Ressourcen besser, sorgsamer umgehen müsste und könnte: Anstatt immer nur zu kämpfen, auch rechtzeitig zu entspannen. Zum Beispiel im Privatleben, um dann schneller aus seiner Berufsleben-Ritter-Rüstung aussteigen zu können und ein liebevoller Ehemann zu sein. Anstatt sich von inneren Stimmen antreiben zu lassen, selbst aus sich heraus zu entscheiden, wann es gut ist, Gas zu geben und wann nicht.

Bewusste Nutzung von Ressourcen
Und hier laufen die Stränge wieder zusammen: Es geht um die bewusste und erwachsene Nutzung der eigenen Ressourcen. Also in fast jeder Situation die Fähigkeit zu haben, stehen zu bleiben, durchzuschnaufen und sich zu überlegen, was man denn jetzt genau machen will. Warum es einen aus der Ruhe und Mitte heraus treibt und wie der Innere Erwachsene damit am besten umgehen möchte. Um genau nach dieser kleinen Gedenkminute in Aktion zu treten.

Was kann ich tun?
Ganz konkret: Es geht ausnahmsweise mal nicht ums Tun. Sondern vielmehr darum, einen Gang runter zu schalten. Sich vielleicht ohne große Mühe in einen Anthropologen zu verwandeln, der einen fremden Stamm (sich selbst) beobachtet. Oder vielleicht mit einem imaginären Kassettenrekorder (sorry, in meinem Jahrgang gab es das noch) selbst aufnimmt. Einfach nur aufnehmen, nichts tun. Nur beobachten.

Und dann vielleicht aufzuschreiben, welche lauten & leisen Stimmen man in sich so wahrnimmt. Also eine Art Bestandsaufnahme. Wer ist da in mir da, welche archaischen und biographischen Qualitäten habe ich denn in mir?

Im zweiten Schritt kann man zu den Qualitäten auch noch die Zeitpunkte hinzufügen, an denen sie für gewöhnlich auftreten: In der Arbeit, in der Begegnung mit meiner Frau, meinen Kindern, mit mir selbst? Damit komplettiere ich spielerisch dieses Bild.

Um dann in einem dritten Schritt die Qualitäten und Zeitpunkte mit deren Entstehungsgeschichte zu verknüpfen: Wann habe ich mir denn bestimmte Qualitäten zu Eigen gemacht? Wer in meiner Familie ist mir denn da ähnlich? Von wem könnte ich sie denn gelernt haben? Wann waren sie für mich absolut nützlich und überlebensnotwendig?

Schritt vier würde dann bedeuten, dass ich Qualitäten und Zeitpunkte mit den vorherrschenden Empfindungen in mir verknüpfe. Was passiert denn, genau kurz davor, wenn ich mich unbewusst / bewusst einer bestimmten Qualität bediene? Was spüre ich in dem Moment, bevor die bekannte Antreiber-Stimme einsetzt? Wie geht es mir in dem Moment.

Durch diese vier spielerischen Schritte bekomme ich nach und nach eine gute „innere Landkarte“ von mir, vulgo „Wie bin ich denn gestrickt“. Und da genau diese Selbsterkenntnis der erste Schritt in Richtung Veränderung ist, sollte Mann sich hier auch ausreichend Zeit lassen.

Es geht nicht um den Wettbewerb, wer sich am Schnellsten erkennt, sondern um das langsame, neugierige Entdecken der eigenen inneren Welt, wie vielleicht ein kleines Kind damals die äußere Welt entdeckt hat, als seine archaischen Qualitäten noch zu 100 Prozent verfügbar waren.

Über Volker Hepp 4 Artikel
Volker Hepp, Jahrgang 1962, lebt mit Frau und Tieren (2 Hunde, 2 Pferde) am Ammersee, westlich von München.

Ich wandere zwischen zwei Welten, die mir beide gleich wichtig sind: Auf der einen Seite seit über 20 Jahren Key Account Manager in der IT; auf der anderen Seite seit 15 Jahren als Coach, der sich auf die Themen Burnout-Prävention, Paartherapie und Persönlichkeitsentwicklung spezialisiert hat. Was mich besonders geprägt hat, waren neben meiner NLP-Ausbildung die dreijährige Weiterbildung zum Somatic Experiencing-Practitioner (Traumaverarbeitung) und zwei weitere Ausbildung in Richtung Bindung- und Entwicklungstraumen.

Wahlmöglichkeit – den eigenen Lebensweg selbstbestimmt zu gehen, ist eine große Herausforderung, aber auch ein lohnendes Ziel! Coaching und die Arbeit mit persönlichen und beruflichen Herausforderungen sind dabei eine Möglichkeit, zu diesem Ziel der Selbstbestimmung und der persönlichen Wahlmöglichkeit zu gelangen. Gerade Ihre Wahlmöglichkeit zu jedem Zeitpunkt Ihres erwachsenen Lebens liegt mir dabei besonders am Herzen.

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